Mobilität für alle: Was wir von einer Rollstuhlfahrerin lernen können

Unsere Straßen sind vor allem auf die Bedürfnisse von Autofahrenden ausgerichtet. Menschen, die auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind, haben daher oft das Nachsehen. Eine persönliche Geschichte aus Sechtem.

Was ist deine beste Idee für Bornheim? Das wollte ich von den Menschen hier erfahren und habe mit meinem Team von der SPD über mehrere Wochen Postkarten in allen 14 Ortsteilen verteilt. Viele haben mir seitdem geschrieben – per Whatsapp, Mail und auch per Post! Das ist großartig zu sehen, wie viele gute und konstruktive Ideen die BornheimerInnen haben.

Die Antworten habe ich inzwischen ausgewertet und mit vielen Ideengeber*innen persönlich geschrieben. Dabei ist mir ein Kontakt besonders nah gegangen. Davon möchte ich euch heute erzählen:

Frau Fischer ist seit einem Schicksalsschlag kurz nach ihrem 60. Geburtstag auf einen Rollstuhl angewiesen. Ihr Mann unterstützt sie im Alltag und ihr Zuhause haben sie so gut es geht barrierearm umgestaltet. Sobald sie aber ihr Zuhause in Sechtem verlässt, fangen die Probleme an.

Zu kleine Bürgersteige, zu hohe Bordsteinkanten

Unsere Dörfer mit ihren Straßen und Gehwegen sind vor allem auf die Bedürfnisse der Autofahrenden ausgelegt. Viele Bürgersteige sind zu klein. Und wenn sie doch einmal breit genug sind, sind die Bordsteinkanten für Rollstuhlfahrende und Nutzer von Rollatoren zu hoch, um selbständig die Straßenseite zu wechseln.

„Wenn ich allein zur Hausärztin oder Apotheke fahren möchte, muss ich die Route sehr gut planen und Umwege in Kauf nehmen, um überhaupt anzukommen. Selbst niedrigere Bordsteine sind für meinen Rollstuhl noch zu hoch. Und wenn montags die Müllabfuhr kommt, kann ich gar nicht aus dem Haus, weil dann die Mülltonnen die Gehwege blockieren“, berichtet Frau Fischer sichtlich frustriert, als ich sie einen Nachmittag lang bei einem Spaziergang in Sechtem begleite. Mir ist es wichtig, mir einmal den Verkehr aus ihrer Perspektive anzusehen. Mit dabei habe ich an diesem Nachmittag den Sechtemer Ortsvorsteher Rainer Züge.

„Fahr doch gefälligst auf dem Bürgersteig!“

Bei unserem Spaziergang muss Frau Fischers Mann immer wieder nachhelfen. Auch vor der Apotheke findet sie keine Stelle, die niedrig genug ist, um von der Straße auf den Bürgersteig zu gelangen. „Aus der Not heraus fahre ich viel auf der Straße und hoffe immer, dass mich kein Auto übersieht. Nicht selten werde ich aus den Fahrzeugen angepöbelt ´Fahr doch gefälligst auf dem Bürgersteig!´ wird dann aus dem Auto gerufen. „Ich bin in solchen Situationen dann völlig überrumpelt und ärgere mich sehr darüber.“  Und auch von der Stadt fühlt sie sich alleingelassen und hat den Eindruck, dass ihre Situation nicht so ganz ernst genommen, bzw. ignoriert wird.

Wir müssen Mobilität ganzheitlich betrachten & Rücksicht aufeinander nehmen

Frau Fischers Beispiel zeigt mir einmal mehr, dass wir Mobilität viel ganzheitlicher betrachten müssen für ein gutes Zusammenleben. Wir brauchen gute Straßen, um mit dem Auto zur Arbeit oder zum Einkaufen zu kommen. Aber wir dürfen Straßen nicht immer nur aus Sicht der Autofahrenden denken. Ältere Menschen mit Rollatoren, Rollstuhlfahrende oder auch Menschen mit Behinderungen sind ganz besonders darauf angewiesen, dass wir ihre Bedürfnisse nach einer sicheren Mobilität von Anfang an mitdenken. Davon profitieren am Ende alle, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind.

Es gibt gerade in Dörfern auch einfach Stellen, wo eine direkte Verbesserung – zum Beispiel ein breiter Fußweg mit stark abgesenktem Bordstein – nicht einfach möglich sind. Da ist es wichtig, dass wir im Alltag mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Menschen mit Rollatoren oder Rollstühlen haben oft keine andere Wahl als auf die Straße auszuweichen. Da braucht es wieder mehr Miteinander und Verständnis.